14.11.2022 - Michael Deutsch
Dabei überzeugte Sebastian Otto auf ganzer Linie und behauptete sich gegen Wettkampf-Teilnehmer aus Italien, Norwegen und Griechenland. Ottos Erfolg ist kein Zufall, er basiert auf ehrgeizigen, sehr aufwendigen Wettkampfvorbereitungen, aber durchaus auch auf cleverer Strategie. Zusätzlich zu den hiesigen Trainingseinheiten beim SV Halle verlegte der Lehrer für Sport und Ethik seine Wettkampfvorbereitungen mehrmals nach Irland, in die Hochburgen des Kampfsports nach Dublin und nach Naas.
„Die Dichte an erfahrenen Jiu-Jitsu-Kämpfern ist besonders hoch“, berichtet der Kampfsportler von seiner zweiten Wettkampfheimat. Hier gibt es die Chance, sich mit den Besten der „Branche“ zu messen. Darunter mit den „alte Hasen“, aber durchaus auch mit talentierten Newcomern. „Du lernst immer dazu, trainierst mit Profikämpfern auf Weltklasse-Niveau“, berichtet Otto begeistert. So habe er etwa mit dem Iren Cian Conlan und den aus Moldawien stammenden Sergey Pikulskiy trainiert - beide sind Freunde und Weltklasse-Athleten. „Erst durch den direkten Vergleich weiß man, wo man wettkampfmäßig ungefähr steht“, sagt Otto.
Und dann ist da auch noch ein taktischer Schachzug. „Ich habe mich für eine neue Gewichtsklasse entschieden“, überrascht der Kampfsportler, der bislang bis 85,5 Kilogramm unterwegs war. „Also bin ich in die ,91‘ gegangen, damit mich die bekannten Gegner umsonst beobachten und studieren.“ Zur Überraschung vieler, quasi als Newcomer, sei er dann in der neuen Klasse (heavy, Braungurt-Rang) angetreten, und das mit Riesenerfolg.
„Im Halbfinale habe ich in dieser Gewichtsklasse den dort angesiedelten Europameister von 2019, Tony Fethke, geschlagen. Einen Profi, der 2019 in der Weltrangliste sogar auf Platz 1 lag“, freut sich
der Hallenser über seinen EM-Erfolg.
Lange ausruhen kann er sich nicht. Denn nach der EM ist vor der WM. In vier Wochen will
Sebastian Otto, der dieses Jahr bereits zweimal Gold bei den Madrid International Open IBJJF
Jiu-Jitsu Championship 2022 holte, auch seinen WM-Sieg in Anaheim (USA) wiederholen. Der
EM-Titel sei dafür ein Riesen-Motivationsschub.
Lange bevor Sebastian Otto Brazilian Jiu-Jitsu für sich entdeckt hat, war er als Ringer aktiv.
„Das ist ein Riesenvorteil, ich profitiere heute von der erlernten Technik und der Grundkraftstruktur. „Vielen meiner Gegner fehlt diese klassische Ringerausbildung, die ich
beim SV Halle bekommen habe.“ Seine robuste Art, sein individueller, ringerbetonter
Kampfstil mit den erlernten Bewegungsmustern, machten ihn für Gegner oft unberechenbar.
„Klar, ich bin ein Dinosaurier bei den Wettkämpfen“, sagt Otto augenzwinkernd. Aber mit
diesen Basics könne er sich auch im fortgeschrittenen Alter mit den Besten der Welt messen.